Den Glauben sichtbar entfalten
Fotos: Günter Hammer
"Den Glauben entfalten" nannten die Konfirmandinnen und Konfirmanden des Jahrgangs 2004 ihre Installation, die vom ihrem Konfirmationssonntag ab für einige Zeit in der Auferstehungskirche hing. Verschiedene Dimensionen des christlichen Glaubens wurden dabei "sichtbar" gemacht. Denn die in Holzrahmen gefassten und hoch über dem Altar hängenden farbigen Tafeln waren tatsächlich "entfaltbar", wie der Glaube selbst.
Am Ende ihrer Konfirmandenzeit waren die 25 Jugendlichen in einen "Konfi-Workshop" mit Pfarrer Rudolf Atsma zusammengekommen, um das Thema der Konfirmation zu erarbeiten. "Den Glauben entfalten", dieses Thema wurde wörtlich genommen, die 14-Jährigen malten auf drei jeweils zwei mal zwei Meter großen Tafeln ihren Glauben auf.
Mit Perlonschnüren und Scharnieren wurden die Tafeln so konstruiert, dass sie bequem während des Konfirmationsgottesdienstes "geöffnet" werden konnten: Ein "besonderes Aha-Erlebnis" während der Predigt.
Zu Beginn ist ein "Verdeckter Glaube" zu sehen.
Das ist Dankbarkeit für das Leben, Gesundheit und Ausbildung, für Frieden, Freunde und Verwandte, da sind aber auch Fragen, die zum Kreuz gebracht werden: Das "Warum?", der Zweifel, Krankheit, Krieg und Katastrophen.....
zur Predigt
Dann wird die zweite Tafel entfaltet, aufgeklappt.
Sofort strömen bunte Farben auf den Betrachter ein. Neben der Haupttafel werden auch die seitlichen Flügel mit dem vielfarbigen Regenbogenmotiv geöffnet: "Vertrauender Glaube".
Eine Landschaft voller Leben, blühende Blumen, eine ruhige Schildkröte, Berge am Horizont. Und auch eine Kirchenglocke, die Einladung zum Gottesdienst und die Menschen, die miteinander verbunden sind, nicht zuletzt die Konfi-Gruppe selbst.
zur Predigt
Und schließlich öffnet sich die dritte Dimension:
Hier sind in einem rosettenartigen Transparent zwölf Motive des Glaubens dargestellt: Von Gemeinschaft bis Stille von Liebe bis Hoffnung. Und in der Mitte sind die Konterfeis der 25 Konfirmanden zu sehen. Alles ist auch hier umgeben von einem großen, fast unwirklich erscheinenden Regenbogen, in dem Gottes Segen zum Leuchten kommt.
zur Predigt
Mit diesem Altarbild haben die Konfirmanden der Auferstehungsgemeinde etwas Ungewöhnliches geschaffen. Denn auch nach der Konfirmation, strahlten die Motive und Farben lange in die Kirche hinein und zogen den Blick des Besuchers an.
Alles könnte dazu anregen den eigenen Glauben mit eigener Kreativität ebenfalls zu entfalten.
Pfr. Rudolf Atsma, Predigt am 16. 5. 2004 / Auferstehungskirche, Freiburg-Littenweiler
Konfirmation, Predigttext: Genesis 8, 22 und 9, 13
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde!
„Das Gespräch schleppt sich hin. Zäh. Manche der Jugendlichen, die in einer Gruppe zusammensitzen, sind unruhig, andere kichern. Verlegen. Irgendwie peinlich ist es. Sie sollen über Religion diskutieren. Schließlich sagt einer: ‚An Gott glauben – das ist doch was für Kinder.’ Beifälliges Nicken, Zustimmung: Religion ist höchstens was für ‚Weicheier’. Bis ein 17-Jähriger plötzlich meint: mit Gott, mit dem habe er nicht viel am Hut. – ‘Aber manchmal bete ich’, sagt er in die Runde. Stille. Bis die Fragen beginnen: ‘Du betest?‘ Abwertende Bemerkungen: ‘Beten? Glauben? So ein Quatsch.‘
Doch er lässt sich nicht irritieren. Erzählt, wie er das macht: Dass er abends Kerzen anzündet und das Licht ausschaltet. Eine Decke auf dem Boden ausbreitet. Beschreibt die Atmosphäre, geprägt von Stille und Konzentration. Umso mehr er erzählt, desto interessierter werden die anderen. Hören zu. Fragen nach. Aus einem erst so stockenden Gespräch wird doch noch ein sehr lebendiges.“ – Mitte April fand ich diese Notiz in einem Zeitungsartikel mit der Überschrift: „An Gott glauben - das ist was für Kinder...“
Heute, am Tag eurer Konfirmation, rückblickend auf den Weg, den wir miteinander gegangen sind, kann ich nur staunend feststellen und wiederholen, was ihr selber für unser Konfirmanden-Gespräch Anfang Mai aufgeschrieben habt:
• Glauben bedeutet für mich, beten zu können... z.B. für Kranke.
• Glauben, das ist eine Verbindung zwischen mir und Gott.
• Ich habe keine Probleme mit meinem Glauben.
• Mir hilft es, wenn ich in die Kirche gehe und sehe, wie andere Leute auch glauben.
• Ich finde, dass man sich mit seinem Glauben besser fühlt und besser durchs Leben kommt.
• Ich glaube an etwas Mächtigeres als die Erdbevölkerung und das muss Gott sein.
Ich denke, ihr habt schon etwas gespürt, von dem, was Religion und Glaube bedeuten können und wesentlich machen für unser Leben. „Man kann nicht mehr allein leben von Eisschränken, Autos, Fernsehen und Computern, von Bilanzen und Marketing. – Man kann nicht leben ohne Poesie, ohne menschliche warme und Nähe man kann nicht leben ohne Liebe und ohne den Glauben an Gott.“ So ähnlich hat das der Dichter und Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry in einem „Brief an einen General“ formuliert.
Nein, an Gott zu glauben, dass ist überhaupt nicht nur etwas für Kinder, das kann ebenso für Jugendliche und Erwachsene entscheidend werden. Wie sonst könnten wir denn klar kommen in einer Welt, in der auch so viel Dunkles, Gemeines und Fragwürdiges geschieht, wie wir es in den Nachrichten der zurückliegenden Woche wieder berichtet fanden. Hass und Rache in Israel/Palästina, blutige Vergeltung im Irak – alles noch medienwirksam inszeniert – unbegreiflich, wozu Menschen immer wieder fähig sind! Nicht umsonst habt ihr das außen auf die dunkel-grauen Flächen eures Altarbildes aufgeschrieben.
(Geschlossene Installation über dem Altarraum: Erste Ebene)
Ich denke, es ist kein Zufall, dass gleich im ersten Buch der Bibel nach den Erzählungen vom Paradies auch von der Macht des Bösen zu lesen ist. So stark, das es Gott sogar reut, die Menschen geschaffen zu haben. Die uralte Sintflut-Geschichte, in der alles Leben untergeht hält diese Erinnerung an menschliche Verantwortungslosigkeit und ihre Gottvergessenheit wach. – Und dann ist da am Ende doch wieder ein neuer Anfang, den Gott schenkt. Noah, seine Familie und nicht zu vergessen all die Tiere, sie werden aufgenommen in eine neue unverbrüchliche Beziehung, Verbindung zu Gott:
„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“
Unübersehbar schafft der Regenbogen eine wunderschön farbige Verbindung, wie eine Brücke zwischen Himmel und Erde. – Aufgewachsen in der norddeutschen Tiefebene unter einem großen, weiten Himmel wollte ich als Kind immer dahin laufen, wo der Regenbogen die Erde berührt. Faszinierend.
(Öffnen der zweiten Ebene der Installation)
Für die Menschen der Bibel ist der Regenbogen seit Noahs Tagen zum Zeichen geworden für Gottes Bund: „Solange die Erde steht....“ –
Solange die Erde steht..., soll die Hoffnung lebendig bleiben, die ein Halt ist – auch in stärkster Bedrohung.
Solange die Erde steht..., soll die Liebe nicht zerstört werden, die wie ein Band ist zwischen allen Gehschöpfen Gottes, den Menschen, den Pflanzen und den Tieren.
Solange die Erde steht..., soll es Menschen geben wie Noah, die im Vertrauen zu Gott Raum schaffen für das Leben.
Solange die Erde steht..., soll es Menschen geben wie Jesus, der selber wie eine Arche war, indem er anderen Geborgenheit schenkte, Mut zum Überleben, Kraft zu einem neuen Anfang und einen Weg, dem Leben zu trauen grenzenlos, über den Tod hinaus.
Solange die Erde steht..., soll der Regenbogen leuchten als Zeichen der Hoffnung und Ermutigung allen Menschen den Gott das Leben anvertraut hat.
So habt ihr unübersehbar euer Altarbild hier umgeben mit den leuchtenden Farben des Regenbogens. Einladend die Landschaft, euer „Lebensbild“ damit gerahmt. Blumen. Die Schildkröte. Berge. Die große Sonne. Luftballons. Die Kirchenglocke. Unsere Osterkerze. Und ihr selbst mit euren Namen getragen vom Wasser der Taufe. Zeichenhaft.
„An Gott glauben - das ist was für Kinder?“
Natürlich gehen an diesem Tag nicht nur bei euren Eltern, Paten, Familien und Gästen die Gedanken auch voraus. Wie werdet ihr durch Leben gehen? Welche Einflüsse werden euch prägen? Wie wird sich eure berufliche und familiäre Zukunft gestalten? Wie könnt ihr verantwortlich am Leben in unserer Gesellschaft und in dieser Welt teilnehmen? Fragen am Horizont, auch hier bei eurer Landschaft, angedeutet vielleicht mit den eher dunkleren Farben der Berge, die da zu sehen sind. – Wäre es nicht schön, einmal sehen zu können, was dahinter liegt? Tun wir's doch einfach...
(Öffnen der dritten Ebene der Installation)
„Versammelter Glaube – Gottes Segen zum Leuchten bringen“..., so haben wir diese dritte Ebene genannt, mit der wir unseren „Glauben entfalten“. Ein großes rosettenartiges Transparent. In zwölf Segmenten habt ihr gestaltet mit Farben und Formen, was Glauben bewirkt (Zählung im Uhrzeigersinn):
1.Gemeinschaft (Raphael und Alexander) – Motiv: Kreise
2.Trost und Ruhe (Robin und Mare) – Motiv: Kreise verbunden
3.Veränderung (lna, Gesa und Marlijn) – Motiv: Jing und Jang
4.Bewegung (Jakob und Sascha) – Motiv: Blätter und Sonne
5.Vertrauen (Viola und Katharina) – Motiv: Farbige Kreise / blaue Schale
6.Stille (Nico und Constantin) – Motiv: Wellen
7.Liebe (Anna Lena und Alexandra) – Motiv: Schrift
8.Freude (Sonja und Anna) – Motiv: Schmetterlinge
9.Licht im Dunkel (Daniel und Alexander) – Motiv: Versetzte helle und dunkle Flächen
10.Ordnung (Sara und Mailine) – Motiv: Helle / Dunkle Vierecke
12.Frieden (Stephanie und Rebecca) – Motiv: Kreise
13.Hoffnung (Hanna und Caro) – Motiv: Wachsendes Grün
Das also bewirkt der Glaube. Gründend auf Gottes Zusage, vertrauend dem Weg Jesu und hoffend auf Gottes guten heiligen Geist. Und das alles um euch herum. Mittendrin ihr selbst. 25 jugendliche Gesichter. Und da soll doch noch einmal jemand sagen: „An Gott glauben - das ist was für Kinder...“
Alles nun umgeben von dem großen, fast unwirklich erscheinenden Regenbogen, in dem ihr Gottes Segen zum Leuchten gebracht habt. Geborgen in diesem Licht dürft ihr gehen, leben und immer wieder Brücken bauen wie der Regenbogen Himmel und Erde verbindend, solange die Erde steht...
„Du hast einen schönen Beruf“, sagte das Kind zum alten Brückenbauer, „es muss sehr schwer sein, Brücken zu bauen.“
„Wenn man es gelernt hat, ist es leicht“, sagte der alte Brückenbauer, „es ist leicht, Brücken aus Beton und Stahl zu bauen. Die anderen Brücken sind viel schwieriger“, sagte er, „die baue ich in meinen Träumen.“
„Welche anderen Brücken?“ fragte das Kind.
Der alte Brückenbauer sah das Kind nachdenklich an. Er wusste nicht, ob das Kind es verstehen würde. Dann sagte er: „Ich möchte eine Brücke bauen – von der Gegenwart in die Zukunft. Ich möchte eine Brücke bauen von einem zum anderen Menschen, von der Dunkelheit in das Licht, von der Traurigkeit zur Freude. Ich möchte eine Brücke bauen von der Zeit in die Ewigkeit, über alles Vergängliche hinweg.“
Das Kind hatte aufmerksam zugehört. Es hatte nicht alles verstanden, spürte aber; dass der alte Brückenbauer traurig war. Weil es ihn wieder froh machen wollte, sagte das Kind: „Ich schenke dir meine Brücke.” Und das Kind malte für den Brückenbauer einen bunten Regenbogen.
April 2024