Eine ganz besondere figürliche Gestaltung von Erzählungen erlebt man am Hauptportal der katholischen Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit, Freiburg-Waldsee.
Die beiden, hohe Türflügel des Hauptportals im Zentrum der Kirchenvorhalle zeigen auf 28 bronzenen Relief-Tafeln Szenen aus dem Alten Testament, der Hebräischen Bibel. Sie schildern Zeichen, Hinweise, Erfahrungen, in denen Gott den Menschen Begegnungen mit seiner lebendigen Wirklichkeit anbietet, sie damit konfrontiert: Sie lassen eine „Kirche vor der Kirche“ aufscheinen. Dieses Aufscheinen in den Schriften des Alten Testaments meint der theologische Begriff „ECCLESIA PRAEFIGURATA“ (Vorbildung der Kirche), der auf dem Türsockel des Portals zu lesen ist.
„In strenger, aber gut lesbarer Stilisierung“ stellen die Tafeln „ganze Figuren-gruppen wie auch Einzelfiguren dar, … ein Abriss der Heilsgeschichte, von der Schöpfung bis zum eschatologischen Lobgesang.“ Die „Figurenszenen … zeigen lange Gestalten und plastisch modellierte Köpfe, während Landschaft und symbolische Ornamentik in vorwiegend linearen Umrissen und sparsamer Binnenzeichnung dezent reliefiert in die Fläche komponiert sind.“ [Zitate: Hermann Brommer]
Geschaffen wurden die jeweils 45x50 cm großen Felder, die obersten vier Felder nehmen die Form des Torbogens auf, 1953 von Alfred Erhart (1928-1984). Ihm verhalf das Werk zum künstlerischen Durchbruch mit Folgeaufträgen.
Die oberste Reihe der Tafeln unter dem Rundbogen greift Zeichen der Schöpfung auf.
Zwischen der Hirschkuh am Wasser, im linken Zwickel des Portalbogens, und der Tafel mit Storch und Zypresse im rechten Zwickel,
eine Tafel mit den vier Ströme, die das Paradies bewässern (Gen 2, 10,15: Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Gott, der HERR, nahm den Menschen und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte.) und
eine Tafel mit dem Baum des Lebens im Paradiesgarten (Gen 2, 9: Gott, der HERR, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.)
Die Erschaffung Evas aus der Seite Adams – Das erste Menschenpaar lässt das „Volk Gottes“ aufscheinen. Gn 2, 21-23
Die Arche auf den Fluten, in denen die Welt versank, ein Untergehender ist noch zu sehen – Gott initiiert die bergende, rettende Arche. (Gn 7, 18-19)
Abraham und Sara, die Verstoßung von Hagar – Gott steht für die Nachkommen Abrahams ein. (Gn 21, 12-14)
Abrahams Knecht auf Brautwerbung für Sohn Isaak, ein Zeichen Gottes zeigt dem Knecht am Brunnen die Braut: Rebekka (Gn 24, 4-14)
Jakobs Vision der Himmelsleiter – Gott aus der menschlichen Wirklichkeit heraus entdecken. (Gn 28, 11-13)
Jakob wirbt um Rahel (Gn 29, 2-11)
Mirjam, die Schwester des Moses, stimmt nach dem rettenden Durchzug durch das Rote Meer ein Dankgesang an – Dankende nehmen Beziehung zu Gott auf. (Ex 15, 20-21)
Die Dirne Rahab, als Retterin der Kundschafter Josuas. (Jos 2, 1-5)
Moses Blick auf das „Gelobte Land“, das er nicht mehr betreten durfte. (Dtn 24, 1-4)
Rut, die arme Frau aus der Fremde, wird vom reichen Feldbesitzer Boa zum Mahl eingeladen. (Rut 2, 14f)
Die Witwe aus Sarepa versorgt den Propheten Elijas mit einen Krug Wasser und einen Fladen. Ihr und ihrem Sohn geht das Essen nicht aus. (1Kön 17, 7-16)
Das Symbol für die Fruchtbarkeit des Lande: der Weinberg und davor die Kelter Mt 21, 33: Hört noch ein anderes Gleichnis: Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land.
In der Mitte der Reihe zwei Tafeln mit den Türgriffen. Gestaltet sind sie jeweils als Seraphim.
Die Tafel links davon zeigt den Tempel mit dem Brandopferaltar (1Kön, 6) und
die Tafel rechts davon die Burg Zion, das Zentrum der heiligen Stadt Jerusalem (1Sam 5)
Salomon und die König von Saba (2Chr 9, 1-12)
Die zweite Tafel greift ein Vers aus dem Buch „Hoheslied“ auf: "Mein Geliebter hebt an und spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch! " (Hld 2, 10)
Die selbstlose Mutter, die im Salomonischen Urteil als die echte Mutter daran erkannt wird, da sie auf ihr Recht verzichtet, um dem Kinde das Leben zu retten. (1 Kg 3, 16-28)
„Die tüchtige Frau“ im Buch der Sprichwörter (biblische Weisheitsliteratur) Spr 31, 10-31: Eine tüchtige Frau, wer findet sie? … Sie sorgt für Wolle und Flachs … Sie öffnet ihre Hand für den Bedürftigen und reicht ihre Hände dem Armen. Ihr bangt nicht für ihr Haus vor dem Schnee; denn ihr ganzes Haus ist in prächtigem Rot gekleidet.… Sie webt Tücher und verkauft sie, Gürtel liefert sie dem Händler.
Über dem Sockel der Türflügel mit der Aufschrift „ECCLESIA PRAEFIGURATA“ die letzte Tafel-Reihe mit Szenen bedrängter, verleumdeter „Gottesfürchtiger und Gottesbekennender“.
Der „geschlagene“ Ijob auf dem Aschenhaufen (Ijob 2, 7-8: … [Satan] schlug Ijob mit bösartigem Geschwür von der Fußsohle bis zum Scheitel. Da nahm er sich eine Tonscherbe, um sich damit zu schaben, während er mitten in der Asche saß.),
und der Besuch der drei Freunde, die ihn mit ihrer „Besserwisserei“ quälen statt trösten.
Susanna bedrängt von zwei Ältesten der Gemeinde: Sei uns zu Willen und gib dich uns hin! Weigerst du dich, dann bezeugen wir gegen dich, dass ein junger Mann bei dir war …. Da seufzte Susanna und sagte: …Es ist besser für mich, es nicht zu tun … als gegen den HERRN zu sündigen. (Dan 20-23)
Daniel entlarvt die falschen Aussagen der Ältesten, getrennt verhört, nennen sie jeder einen anderen Baum unter dem Susanna angeblich lag. (Dan 13, 55ff)
Daniel in der Löwengrube befragt von König Darius: Früh am Morgen, als es gerade hell wurde, stand der König auf und ging in Eile zur Löwengrube. Als er sich der Grube näherte, rief er mit schmerzlicher Stimme nach Daniel und fragte: Daniel, du Diener des lebendigen Gottes! Hat dein Gott, dem du so unablässig dienst, dich vor den Löwen erretten können? Daniel antwortete ihm: O König, mögest du ewig leben. Mein Gott hat seinen Engel gesandt und den Rachen der Löwen verschlossen. Sie taten mir nichts zuleide, weil ich vor ihm als unschuldig befunden wurde, und auch vor dir, König, habe ich keine Verbrechen begangen. Darüber war der König hoch erfreut und befahl, Daniel aus der Grube herauszuholen. So wurde Daniel aus der Grube herausgeholt; man fand an ihm nicht die geringste Verletzung, denn er hatte seinem Gott vertraut. (Dan 6, 19-23)
Die drei Jünglinge, die in den Feuerofen geworfen werden, weil sie sich weigern, das von König Nebukadnezzar errichtete Standbild anzubeten, „… gingen mitten in den Flammen umher, lobten Gott und priesen den HERRN“ (Dan 3, 24).
DerLobgesang der drei jungen Männer (Dan 3, 51-90) wird im „Morgenlob der Kirche“ (Laudes) mit aufgenommen.
Links und Literatur
Die Angaben und Texte bei der Beschreibung der Tafeln entstammen weitgehend der Schrift „Dreifaltigkeitskirche Freiburg/Br. – Orientierungsschrift zur Kirche“ vom September 1991, welche die Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit herausgegeben hat.
Die Bibelzitate entstammen der Einheitsübersetzung von 2016; Zugriff im Mai 2022
Brommer, Hermann: Nachruf Alfred Erharts; Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins „Schau-ins-Land“, 103. Jahresheft (gelesen in „Alfred Erhart“, „Heimatgeschichtliche Arbeitskreis Stegen“; Zugriff im April 2022)
Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit [Hrsg.]: Dreifaltigkeitskirche Freiburg/Br. – Orientierungsschrift zur Kirche; September 1991
Simmel SJ, P.Oskar und Srählin, Dr. Rudolf (Hrsg.): Das Fischer Lexikon – Christliche Religionen, Kirche; Fischer Bücherei KG., Frankfurt am Main 1957