Weihnachtskrippe 1986
Ausschnitt der Krippenaufstellung nebem dem Altar an Weihnachten 1986
„Immer wieder haben Menschen mit Farben, Materialien, Gedanken und Worten jeweils in ihrer Zeit das weitergesagt und gestaltet, was sie von dem Kind Jesus gesehen und erfahren hatten und also auch von der Hoffnung derer, in deren Mitte er geboren wurde und für die damit die gute Nachricht angesagt war. Die „Geburt der Hoffnung für alle“ in heutige Zusammen-hänge hineinzustellen: diese Idee hat auch bei einigen von uns gezündet. So wollen wir uns daran machen, Figuren und Szenen einer Krippe in unserer Welt mit speziellen Personen-, Schicksalen- und Landschafts-merkmalen anzufertigen.
Alle interessierten laden wir herzlich ein, sich daran zu beteiligen.
Ein erstes Treffen wird am Donnerstag, den 18. September, um 9.30 Uhr im Raum unter der Kirche sein.
Annegret Zeilinger“
So stand es in der September-/Oktoberausgabe des Gemeindebriefs der Auferstehungsgemeinde.
Die Einladung regte neun Frauen der Gemeinde an unter fachkundiger Leitung von Adelheid Dorwarth, Malerin und Künstlerin aus Herdern, sich ans Werk zu machen.
„Nicht die Idylle der lieb-lichen und süßen Weihnacht, sondern das Elend in der Dritten Welt, speziell die Not, resultierend aus der Apart-heit in Südafrika, waren das Vorbild für den Modellierkreis der evangelischen Aufersteh-ungsgemeinde in Litten-weiler.“ Aus Kanderner Ton schuf er, jeweils aus einem zehn Kilogramm schweren Rohblock von 30 Zentimeter Höhe, 24 „ausdrucksstarke, plastische und lebendige Figuren als typische Vertreter der Dritten Welt. … Eine Vielfalt unterdrückter, trauernder, gefangener und Hungernder Menschen … neben der Heiligen Familie.“ [Gerhard Maria Kirk, 23.12.1986].
Die oberen Fotografien stellten Annegret und Helmut Zeilinger zur Verfügung
Predigt von Ute Niethammer am 1. Weihnachtstag, 25.12.2008, in der Auferstehungskirche, FR-Littenweiler
Liebe Gemeinde,
in fast jeder Familie wird zu Weihnachte eine Krippe aufgebaut. Auch hier in dieser Kirche erzählen die ungebrannten Tonfiguren die Weihnachtsgeschichte auf ihre ganz eigene Art.
Ich erzähle ihnen die Geschichte dieser Krippenfiguren und leihe sie mir dazu jeweils aus.
Josef: Sie kennen ja meine Geschichte und einmal im Jahr werde ich aus meiner Kiste geholt, damit diese Geschichte ein wenig anschaulicher wird. Na ja, was soll ich sagen, Sie wissen ja, dass ich dieser ganzen Sache ziemlich skeptisch gegenüberstand, aber so wie Sie mich Jahr für Jahr hier bewundern können, das ist mindestens genauso wahr. Viele von Ihnen haben vermutlich schon Geburten erlebt, ich weiß, dass es neuerdings wieder modern ist, die Männer dabei zu haben. Ich war auch dabei, und das kann ich Ihnen sagen, es berührt mich bis heute. Plötzlich war mir egal, was da vorher mit Maria eventuell gewesen sein könnte. Diese Engelsgeschichten – ich hätte sie in diesem Moment überhaupt nicht mehr gebraucht. Da kam ein Kind zur Welt, ich selbst war der Geburtshelfer. Plötzlich gab es ein völlig neues, zartes Leben, und ich wusste, dass es mich brauchte. Ich war Gott dankbar, dass ich das erleben durfte und dabei sogar eine nicht ganz unwichtige Rolle spielte.
Nein, nein, ich bin nicht rührselig geworden über die vielen Jahre in der Sakristei. Ich mein’ es ganz ernst: Diese Nacht war Leben pur, ich habe zum ersten Mal verstanden, was ‚Leben schenken’ heißt. Ich habe verstanden, dass so ein neues Leben alle Hoffnung, alle Schönheit und alle Liebe der Welt und des Himmels in sich vereint. Es ist nur die Frage, was die Welt daraus macht.
Aber dazu stehe ich nicht hier. Sie sollen mich anschauen, damit sie mir abnehmen, dass ich daran glaube, dass ein neues Leben alle Wunder möglich macht. So, das war’s.
Herbergsvater: Na, haben Sie mich schon erkannt? Manche Krippenszenen vergessen mich einfach. Dabei wäre dieser Abend ohne mich nur halb so romantisch. Ich bin der Herbergsvater, der dem Paar die Geburt im Stroh ermöglicht hat. So bin ich: ich finde Auswege, wo andere schon aufgegeben haben. Würde ich heute noch leben, wäre ich wahrscheinlich Politiker, oder Hausmeister. Immer noch ne Idee, damit alles klappt. Da, die junge Frau, ist doch prima gelaufen für sie. Ich bin kein frommer Mann, aber helfen tu ich gern, da wo’s klemmt.
Ich glaube, ich stehe hier dabei, um Ihnen ein paar Dinge klar zu machen.
Erstens: auch die heiligsten Personen brauchen handfeste Hilfe.
Zweitens: auch die Ungläubigen tragen mitunter zu heiligen Geschehen bei und
drittens: auch wir, die Unfrommen, brauchen manchmal Hilfe, vergesst uns nicht.
Hirte 1: Jahr für Jahr schäme ich mich ein wenig. Ich konnte ja an diesem Abend nicht wissen, was mir bevorstand, sonst hätte ich mir vielleicht doch die andere Jacke angezogen, oder mich wenigstens gewaschen.
Ich meine, Sie alle hier glänzen und duften mich jedes Jahr wieder in den Hintergrund. Kann man so sagen? Ich bin nicht besonders wortgewandt. Wir Hirten reden nicht viel.
Manchmal singen wir, alte Lieder, uralte. Aber Sie singen ja auch, höre ich ja jedes Jahr, manche kenne ich schon auswendig. Das tut mir gut, wenn Sie singen, dann merke ich, dass wir doch was gemeinsam haben. Oder nicht? Also, ich meine, Sie sind doch auch wegen des Kindes da, oder?
Hirte 2: NA ja, eigentlich sind wir wegen dem Engel, also wegen des Engels gekommen, wegen der Engel. Ich bin nicht so ungebildet wie Sie denken. Sie glauben gar nicht, was unsereins so alles weiß. Sie jedenfalls hätten schlechte Karten in meinem Beruf, da muss man nämlich was über das echte Leben da draußen wissen. Die Engel jedenfalls, denen ist klar, dass wir wichtig sind. Deshalb sind sie ja zu uns gekommen. Ich habe keine Ahnung, ob Sie informiert sind über das Leben von uns Schäfern da draußen. Ist jedenfalls ein raues Leben und ganz schön viel Verantwortung, trotzdem – wir sind hochsensibel, spüren sofort, wenn etwas nicht stimmt, mit den Tieren oder einfach so mit der Luft. Da, bevor der Engel kam, da haben wir alle schon gespürt, dass was anders war. Deshalb braucht’s uns auch in ihrer Kirche.
Wir sind die Randfiguren der Gesellschaft, die Gott in den Mittelpunkt gerückt hat. Personengewordene Seismographen. Überlegen Sie mal, was das für ihr Gesellschaftsbild heute heißen könnte.
Maria: Sie sehen mich als zärtliche Mutter, die staunend vor ihrem Kind kniet. Jedes Jahr knie ich hier, und tatsächlich bringt es mich jedes Jahr wieder zum Staunen. Zwischendrin habe ich in meiner Kiste genügend Zeit zum Überlegen.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Das höre ich wie Sie jedes Jahr, und tatsächlich, es beschäftigt mich nach wie vor.
Ich fand auch alles sehr eindrücklich, das mit den Engeln und den Hirten und so, für mich war aber schon länger klar, dass mein Sohn von Gott kommt. Aber wenn mein Kind der Heiland ist, warum muss ich Jahr für Jahr hören, dass die Welt sich noch nicht geändert hat. Terror, das ist ein Begriff, den ich schon vor 30 Jahren gehört habe. Jetzt ist er noch präsenter und ich spüre, dass viele von Ihnen Angst haben. Ich habe auch gehört, dass es schwierig ist, Lebensstandards zu halten, das alles teurer wird, und die Sozialleistungen immer knapper, dass viele Menschen arbeitslos sind. Na ja, Sie können sich denken, dass ich diese Probleme nicht ganz nachvollziehen kann, bei uns damals lebten wir viel schlichter. Aber ich habe verstanden, dass Sie darauf warten, dass Gott etwas ändert in Ihrem Leben.
Ich bin eine einfache Frau und dennoch bewundern Sie mich Jahr für Jahr, deshalb getraue ich mich jetzt auch mal was zu sagen. Sie brauchen nicht darauf zu warten, dass Gott etwas in Ihrem Leben ändert. In diesem kleinen Kind sagt Ihnen Gott, was es braucht, damit sich die Welt ändern kann:
Zartheit, um zu spüren, woran es wirklich fehlt, Zartheit wie die feine Haut des Neugeborenen.
Mut, um anzupacken, was nötig ist. Mut, wie der entschlossene erste Schrei des Kindes.
Hoffnung, um zu glauben, dass Frieden immer möglich ist auch in den chaotischsten Zuständen. Hoffnung, wie das Ereignis dieser Geburt trotz aller Widrigkeiten.
Zartheit, Mut und Hoffnung, dafür stehe ich mit meinem Kind ein, Jahr für Jahr, damit es alle sehen können.
Weihnachten, für Josef bedeutet das: Jedes neue Kind macht Wunder möglich. Für den Herbergsvater bedeutet Weihnachten, dass hier etwas geschieht, was Gläubige und Ungläubige verbindet. Das Weihnachten der Hirten ist die Freude darüber, das Gott kein ferner Gott ist, sondern alle ins Recht setzt. Und für Maria: Grund zu Zartheit, Mut und Hoffnung.
Und wenn Sie nun hinzugefügt werden sollten als Krippefigur? Was wäre Ihre Botschaft?
Und wenn wir uns dann dort alle als Figuren versammelt sehen, dann können wir uns trotz unterschiedlicher Akzente zusammenfinden im Lobgesang:
Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchsten Thron, der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.
Amen
Die Ton-Krippenfiguren hinter den Türchen (Tüten) eines Adventskalender am 8. Dezember 2020
Den Anlass für diesen besonderen Adventskalender erklären Pfarrer J. Wegner und das Team des Ortsältestenrates auf dem Aushang am rechten Pfeiler neben den in Tüten versteckten Figuren.
„Ein ungewohnter Anblick so eine Krippe mitten in der Adventszeit, richtig?!
Das hat natürlich einen Grund, und zwar diesen:
Der Ortsältestenrat unsere Gemeinde hat letztes Jahr beschlossen, eine neue Krippe für unsere Kirche auszusuchen. Bevor wir uns aber dieser neuen Grippe widmen, möchten wir den Figuren der bisherigen Krippe noch ein letztes Mal einen großen Auftritt verschaffen. Immerhin haben sie die Weihnachtsgottesdienste einer ganzen Generation geprägt und sind uns ans Herz gewachsen.
…
der 8. Kalendertag
…
1986 von 9 Frauen aus der Gemeinde gestaltet, umfasst die Grippe 24 Figuren aus Ton, ungebrannt. Jede Figur, als typischer Vertreter der Dritten Welt, spiegelt ein Aspekt der Realität wider, in der sich die Welt 1986 befand:
die Klagende, eine gefesselte Person in Ketten, hungernde spielende Kinder, die Musiker, Schafe und Großvieh.
Vielleicht erkennen sie in einer Figur sogar das Gesicht von Nelson Mandela oder betrachten einmal die Drei Könige etwas genauer…
Am 1. Dezember wird nach Art eines Adventskalenders die erste Figur enthüllt, dann jeden Tag eine weitere bis zum 23. Dezember.
Und am 24. Dezember? Lassen wir uns überraschen!
… der 22. Kalendertag …
Vielleicht haben sie das Bedürfnis, Eindrücke oder Gedanken dazu niederzuschreiben; dafür liegt ein Heft bereit. Wir wünschen ihnen einen schönen Aufenthalt in unserer Kirche. Friede sei mit ihnen.“
Januar 2021